20. Januar 2020 | DOMOTEX Messegelände | Titus Bernhard
„Nichts schlimmer als Gleichgültigkeit“
In einer von Titus Bernhards Villen zu leben oder seinen Urlaub zu verbringen, ist für jeden Architekten oder architekturaffinen Menschen ein Traum. Wer würde nicht gern beim Schwimmen im Pool auf den Gardasee blicken oder im viel publizierten Haus „9x9“ über die optimale Raumausnutzung auf geringer Grundfläche staunen? Die Architektur stets geradlinig, elegant und zeitlos, Baukultur at its best. Auch Richard Meier lässt grüßen, bei dem Bernhard neben Stationen in Braunschweig und Mailand sein Handwerk gelernt hat. Das Büro von Titus Bernhard ist mit Villen bekannt geworden und baut sie heute noch, aber Bernhard nimmt nicht mehr so viele dieser Aufträge an. Zum einen, weil er sich nicht selbst kopieren will, wie er sagt, zum anderen, weil er mehr will. Mehr Verantwortung.
Bernhard war Anfang Januar Gast in der Reihe „Architektur im Dialog“ der Lavesstiftung, die bereits zum dritten Mal im Rahmen der Messe DOMOTEX in Hannover stattfand. Verantwortung, so berichtete Bernhard, habe er bereits von seinem Vater gelernt, der als Arzt ein Vorbild im sozialen Handeln gewesen war. Bernhard will durchaus in diese Fußstapfen treten, wenn er seine Ambitionen verstärkt auf den geförderten Wohnungsbau ausrichtet.
Die Süddeutsche Zeitung würdigte seinen Paradigmenwechsel bereits 2018 mit einem Porträt auf Seite Drei. Mit „sozialer Wohnungsbau ist die Aufgabe der Stunde“ wird er dort zitiert. Das in der Zeitung vorgestellte Projekt aus Augsburg, das Bernhard auch bei „Architektur im Dialog“ präsentiert, „sei eine ganz dicke Packung“, sagt er heute und meint die hohe Verdichtung, die er durch flexible Grundrisse, Laubengänge und clevere politische Überzeugungsarbeit erreichen konnte. Bernhards Projekte sehen eben nach Qualität und nicht nach Mindeststandard aus. Es brauche nicht viel Geld, um gut zu bauen, sagt Bernhard, es brauche Haltung, die politisch durchgesetzt werden müsse. Veränderungen gelängen durch Überwindung. Nichts sei schlimmer als Gleichgültigkeit. Er sei daher, anders als früher, ein sehr politischer Mensch geworden. Bernhard sieht in Deutschland einen positiven Trend, die Qualität der deutschen Architektinnen und Architekten sowie ihrer Arbeit seien gut. Die herrschende Regelungswut aber verhindere notwendige Innovationen, andere Länder, sagt er und meint Skandinavien, seien da weiter.
Prof. Dr. Alexander Gutzmer vom Baumeister, der das anschließende Gespräch mit Bernhard führte, nannte Bernhard einen moralisch agierenden Architekten. Wolfgang Schneider, Vorsitzender der Lavesstiftung, bezeichnete ihn als Vollblutarchitekten. Bernhard selbst beschrieb sich als leidenschaftlich. Alles stimmt.
Fotos: Kai-Uwe Knoth