12. Oktober 2006 | Altes Rathaus Hannover | Roman Delugan
Im Rahmen der Reihe „Architektur im Dialog“ kamen am 12. Oktober mehr als 100 Interessierte, um einen Werkbericht des Wiener Architekten Roman Delugan im Alten Rathaus in Hannover mit dem mysteriösen Titel „inTENSE repose“ zu hören. Kammerpräsident Wolfgang Schneider führte zuvor in die Architektursprache Delugans und seine Hauptmotive Dynamik und Bewegung ein.
Roman Delugan begann überraschend mit der Aussage, er wollte ursprünglich Tänzer werden. Er habe schon immer von der Bewegung und der Dynamik von Tänzern geschwärmt und versucht, das Gefühl kontrollierter Körperbeherrschung, das Kraft und Gelassenheit ausstrahle, in seiner Architektur auszudrücken. Als zentrales Moment seiner Arbeit stand dieses Thema im Vordergrund seines Vortrags. Einen weiteren Schwerpunkt in der Arbeit des Büros Delugan Meissl bildet die Auseinandersetzung mit der Landschaft, der Natur- und Stadtlandschaft. Das Eingehen auf den Ort: die Umgebung, die Sichtachsen, die Farben, das Klima. Gemeinsam mit den Parametern der Bauherren bestimmt der Ort den Entwurf und bildet den Ursprung des später entstehenden Gebäudes. Delugans Bauten sind in Schichten aufgebaut, die von innen nach außen einen langsamen Übergang vom Privaten ins Öffentliche schaffen.
Diese Kriterien an verschiedenen Gebäuden belegend, überrascht Delugan dann mit einer Arbeit, die sich völlig ihrer Umgebung verschließt. Sein Büro war 2004 eingeladen, sich mit einem Beitrag an der Architektur Biennale in Beijing zu beteiligen. Es galt, eine nüchterne Wohnung in einem Hochhaus zu gestalten. Delugan Meissl kleideten die Wohnung komplett in Weiß aus und schafften fließende Übergänge vom Boden zur Wand, von der Wand zur Decke und von den Möbeln zur Fassade, sodass es wirkte, als sei Wachs über eine eingerichtete Wohnung gegossen worden. Durch die bewusste Irritation sollten die Chinesen sich fragen: Was ist Raum, wie kommt er zustande und was macht er mit uns? Durch diesen Beitrag schien dies gelungen, da eine Orientierung in der Wohnung kaum noch möglich war und durch das Fehlen von Licht und Schatten Maßstäbe verwischt wurden. Zugleich überraschte bei dieser Arbeit, dass sie sich nicht mit dem vorhandenen Ort und der Umgebung beschäftigt und gerade deshalb eine Auseinandersetzung mit dem Ort von den Besuchern abverlangte. Der Entwurfsprozess, der von den Themen Bewegung und Dynamik, Synthese von Ort und Gebäude und Individualität als Kernthemen begleitet wird, entlädt sich in komplexen Formen, sodass der Schnitt zum wichtigsten Entwurfsinstrument wird. Dies zeigte Delugan an einem Geschosswohnungsbau in Wien, der trotz scheinbar schlichter Fassade im Entwurf so komplex ist, dass er erst durch 10 Schnitte erfahrbar wird. Delugan Meissl haben an diesem Projekt bewiesen, auch im Geschosswohnungsbau Individualität leisten zu können. Jede Wohnung unterscheidet sich in Größe, Geschossigkeit, Raumhöhe und Aufteilung. Dennoch bleibt der Aufwand, der für die Umsetzung notwendig war, zweifelhaft. So zeigt sich aber auch, dass Delugan Meissl versuchen, innovativ zu bleiben, Ideen zu Ende zu denken und sie umzusetzen. Das wollte auch die Jury des Wettbewerbes für das neue Filmmuseum in Amsterdam. Die Niederländer, bekannt dafür, in der Architektur neue Wege zu suchen, luden zu diesem Wettbewerb zehn international tätige Büros ein und forderten von den Teilnehmern Antworten auf die Fragen, was für sie ein Filmmuseum sei, wie sie Architektur verstehen und in welcher Art und Weise sie an die Aufgabe herangehen werden – es war ausdrücklich kein Entwurf gewünscht. Lediglich ein kleines Arbeitsmodell war zur Unterstützung der Ausführungen zugelassen, auf dessen Grundlage der Wettbewerb entschieden und der Sieger Delugan Meissl mit der Umsetzung beauftragt wurde. Noch ist das Filmmuseum nicht fertig und somit kann nicht abschließend geklärt werden, ob solch ein Vorgehen eine Alternative zum herkömmlichen Wettbewerbsverfahren darstellt – die ersten Eindrücke jedoch sind vielversprechend.
Bei der expressiven und individuellen Architektursprache, wie Delugan Meissl sie zeichnet, blieb Jochen Stöckmann, freier Journalist aus Hannover, im anschließenden Gespräch mit Roman Delugan kaum eine andere Möglichkeit, als ihn zu fragen, ob Architektur für ihn Kunst sei. Nein, Kunst sei die Architektur für Delugan nicht, der die persönliche Beziehung zum Bauherrn als das Schönste am Bauen beschreibt. Sein Ziel sei es, Bauherren zu haben, die ihm Vertrauen schenken und Freiheiten geben, Neues auszuprobieren.
Aufgrund seines Baus des Porsche-Museums fragen vermehrt Bauherren an, doch Delugan weist auch auf die Gefahr hin, durch solch ein Gebäude als Elite-Architekt gesehen zu werden und so möchte er sich nicht verstanden wissen. Der Titel „inTENSE repose“ blieb bis zum Schluss ein kleines Rätsel, auf das Delugan nicht näher einging. Betrachtet man die Überschrift genauer, ist sie eine Synthese von drei Wörtern – intense, tense, repose, zu deutsch: intensiv, Zeit, Gelassenheit – die inhaltlich die Kernthemen seiner Arbeit wiedergeben, mit fließenden Übergängen – passt doch!
Fotos: Kai-Uwe Knoth