29. September 2011 | Altes Rathaus Hannover | Prof. Rainer Hascher
Die Lavesstiftung, die seit einigen Jahren sehr erfolgreich die Reihe „Architektur im Dialog“ veranstaltet, kooperierte 2011 mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Insgesamt vier Abende wurden dem Thema „Architektur und Nachhaltigkeit“ gewidmet und bekannte Architekten um Lösungsvorschläge gebeten. Jeder der vier Termine war sehr gut besucht, was zeigt, dass das Thema interessant und gut gewählt war und die eingeladenen Referenten als Experten in ihren Gebieten die von uns erhoffte Aufmerksamkeit hervorriefen.
Alle vier Abende produzierten reichlich Input für die Zuhörer: Prof. Christoph Mäckler machte deutlich, dass die Energieeffizienz eine Herausforderung für innovative Architektur darstellt, Kai-Uwe Bergmann war der Meinung, dass „Less – more“ sein werde, Prof. Manfred Hegger fragte, ob nachhaltige Architektur nur ein Label oder tatsächlich die Zukunft des Bauens sei und Prof. Rainer Hascher zeigte an gebauten Beispielen, dass nachhaltige und energieeffiziente Architekturen gestalterisch hochwertig sein können.
Wir haben mit dem Themenschwerpunkt also einen weiten Bogen gespannt, das Feld der nachhaltigen Architektur von vielen Seiten betrachtet und uns gefragt, ob die an uns Architekten gestellten Herausforderungen sinnvoll und annehmbar sind. Ich denke, wir haben dabei einige Lösungen erhalten: Sicher ist, nachhaltiges Bauen sollte heute Standard sein. Wer dies nicht berücksichtigt, wird am Markt keine Chancen haben.
Sicher ist, den Architekten ist ihre Verantwortung, die sie beim Bauen tragen, bewusst. Ich will nicht noch einmal wiederholen, welchen immensen Beitrag das Bauen zum Klimawandel leistet – und gemeint ist nicht nur der Neubau, der Bestand liefert die größten Bauaufgaben der Zukunft.
Sicher ist, dass nachhaltige Architektur nicht nur ökologisch und wirtschaftlich betrachtet werden darf, sondern, dass ihr auch eine gestalterische Entsprechung folgen muss.
Sicher ist, dass uns alleine Diskussionen um Dämmsysteme nicht voranbringen. Wir brauchen innovative Maßnahmen, kreative Ideen und mutige Pioniere, um das nachhaltige Bauen mit Leben zu füllen, um ökologisch wie gestalterisch eine hohe architektonische Qualität zu erzielen.
Sicher ist, die Herausforderungen sind tatsächlich groß. Wir Architekten müssen und sollten uns diesen Herausforderungen stellen und ich denke, wir tun dies auch bereits.
Christoph Mäckler und Rainer Hascher betonten beide ausdrücklich, dass die Architektenschaft den Herausforderungen auch nicht allein begegnen muss. Die Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen wird in dem Maße wichtiger, in dem die Spezialisierungen zunehmen und die Anforderungen komplexer werden. Ich kann nur zustimmen: Gemeinsam sind wir stark. Unser Berufsstand sollte stärker mit anderen Disziplinen kooperieren.
Und nicht nur der einzelne sollte sich den neuen Inhalten stellen, der Berufsstand als Ganzes muss Lösungen erarbeiten. Die Architektenkammer Niedersachsen ist sich ihrer Verantwortung bewusst und hat bereits 2010 einen Ausschuss zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit eingerichtet und wird die Kammermitglieder mit einer praxisorientierten Publikation zum Thema 2012 informieren.
Aber, so frage ich mich, sind all diese Bemühungen vielleicht nur Aktionismus und Nachhaltigkeit doch nur ein Hype? Reicht es vielleicht doch einfach aus, die Heizung runterzuregeln und einen Pullover überzuziehen, wie es Hanno Rauterberg von der ZEIT bei „Architektur im Dialog“ einmal vorgeschlagen hat? Ich meine, wir sollten nicht auf dem Stand von heute, erst recht nicht auf dem von gestern stehen bleiben. Wir müssen die moderne Technik nutzen, um stärker voranzukommen. Architektur und Technik bieten uns modernste Lösungen, Innovationen und damit Fortschritt. Wir sollten dieses Angebot nutzen. Wir machen uns selbst das Leben leichter, wenn wir das tun. Warum die Heizung runterfahren, wenn wir durch modernste Klima- und Fassadentechnik zum Teil bereits heute gar keine Heizung mehr benötigen?
Wichtig ist, dass diese Technik nicht zum ausschließlichen Leitbild der Nachhaltigkeit wird. Architektur besteht aus vielen Facetten. Das technisch Machbare ist nur eine und muss nicht immer die bestimmende sein. Ich habe bereits öfter darauf hingewiesen: Die Dämmtechnik übernimmt mancherorts mittlerweile stadtbildprägende Funktion. Charakter und Unverwechselbarkeit von Gebäuden und Quartieren geht dabei zu oft verloren. Wir müssen nicht alles tun, nur weil es möglich ist, oder Stand der Technik. Wir müssen ganzheitlich Denken und ganzheitliche Lösungen finden. Das beste Klimakonzept ist nur ein Parameter, die Gestaltung der Fassade ein anderer. Architektur ohne Technik ist nicht denkbar, aber Architektur ohne Gestaltung ebenso wenig. Nachhaltiges Bauen muss alle Einflussfaktoren berücksichtigen und nicht manche über andere stellen. Dies ist im Kern auch eine allgemeine Kritik an den bestehenden Bewertungssystemen der Nachhaltigkeit, die ich nachvollziehen kann.
Prof. Rainer Hascher hat in seinem Vortrag Ende September Architekturen vorgestellt, die schonend mit den vorhandenen Ressourcen unserer Umwelt umgehen und dabei eine hervorragende gestalterische Qualität besitzen. Dies muss unser Ziel sein, wenn wir wahrhaft nachhaltig bauen wollen.
Jemand hat mal gesagt: Bei allem, was man tut, das Ende zu bedenken, das ist Nachhaltigkeit. Dieses Motto hat die mit der DBU durchgeführte Veranstaltungsreihe dem Berufsstand sehr lebendig vor Augen geführt. Anfang des Jahres 2012 werden wir noch eine gemeinsame Podiumsdiskussion veranstalten – ebenfalls zum Spektrum der Nachhaltigkeit und unter Beteiligung des Wirtschafts- und Umweltdezernenten der Landeshauptstadt Hannover Hans Mönninghoff. Neben ihm werden alle vier Referenten dieses Jahres, also Prof. Christoph Mäckler, Kai-Uwe Bergmann, Prof. Manfred Hegger und Prof. Rainer Hascher Platz nehmen. Hierauf freue ich mich und hoffe, dass der Saal erneut so gut gefüllt ist, wie in den letzten Monaten.
Fotos: Kai-Uwe Knoth