13. März 2012 | Altes Rathaus Hannover | Podiumsdiskussion mit Prof. Rainer Hascher u.a.
Nachhaltig bauen, so Kammerpräsident Wolfgang Schneider, sei keine Frage des ob, sondern des wie. Bei der Podiumsdiskussion bei „Architektur im Dialog“ Mitte März in Hannover ging es um genau dieses wie.
Kurzer Blick zurück: Vorausgegangen waren der Veranstaltung vier Vortragsabende im vergangenen Jahr, die sich alle um das Thema Architektur und Nachhaltigkeit gedreht hatten. Die damaligen Referenten wollten – bis auf den verhinderten Kai-Uwe Bergmann aus Kopenhagen – jetzt in eine Diskussionsrunde zurückkehren, um das Thema noch einmal gemeinsam anzugehen. Leider musste noch am Morgen auch Christoph Mäckler absagen, schickte jedoch vom Deutschen Institut für Stadtbaukunst Martin Cors als kompetente Vertretung. Ebenfalls neu in der Runde war Hans Mönninghoff, erster Stadtrat, Wirtschafts- und Umweltdezernent aus Hannover. Die Moderation übernahm Sabine Djahanschah von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Kooperationspartner der Lavesstiftung in dieser Themenreihe.
Wie gesagt ging es in der Diskussion um das wie, um die richtigen Wege und Ansätze zum nachhaltigen und ökologischen Bauen – diskutiert wurden der Neubau, aber auch der Bestand, in dem die größeren Potenziale liegen.
Beim Neubau war die Runde sich recht einig, dass Kriterien der Nachhaltigkeit zum gegenwärtigen Standard gehören – wenngleich man sich natürlich trefflich streiten konnte, ob es die von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen DGNB aufgestellten Kriterien oder weitere und ganz andere sein sollten. Der Passivhausstandard, wie von Mönninghoff mehrfach gefordert, sei jedoch nicht zwingend notwendig, meinten Hascher und Hegger. Schließlich sei der richtige Weg, Gebäude zu bauen, die statt nur wenig Energie zu verbrauchen, besser selbst Energie produzierten – beispielsweise durch Geothermie.
Mönninghoff aber war sich sicher, dass ohne Dämmung und Ausbau der Passivhaustechnologie die gesteckten Klimaschutzziele unerreichbar seien. In diesem Sinne freute er sich über einen Lidl in Passivhausbauweise auf der grünen Wiese. Ob dies in der Gesamtschau tatsächlich ökologisch sei, stellten Hascher, Hegger und auch Cors in Frage.
Cors betonte, dass die neben den Dämmmaßnahmen bestehenden Alternativen zu wenig genutzt würden, beispielsweise wieder verstärkt massiv zu bauen oder zumindest auf Innendämmung zu setzen. Dies sei gerade im Bestand eine sinnvolle Alternative zur gestalterisch schwierigen Außendämmung. Der Socken stecke schließlich auch im Schuh und nicht darüber.
Mönninghoff hielt dagegen: Für viele Bestandsgebäude sei die Dämmung doch eine „Gnade der späten Geburt“. Er spielte damit auf die Wohnblöcke der 50er- und 60er-Jahre an – Gründerzeitviertel wollte auch er nicht hinter Dämmplatten verstecken. Da war er inhaltlich nicht weit von Hegger und Hascher entfernt, auch wenn im Verlauf der Diskussion immer wieder der Eindruck von tiefen Gräben entstand. Hegger, Hascher und auch Cors forderten von den Städten und Kommunen eine differenzierte Betrachtung des Bestandes. Die Häuser dürften nicht über einen Kamm geschert werden, sondern benötigten eine individuelle Untersuchung nach Größe, Funktion, Zustand, Lage, kulturelle Bedeutung etc. Hegger betonte, dass in diesem Umfeld komplexe Aufgaben zu lösen seien, sich auf die Dämmung als Allheilmittel zurückzuziehen, greife zu kurz.
Mönninghoff forderte gleichwohl, dass die Architekten einsetzbare Lösungen anbieten müssten. Hascher nahm die Architektenschaft dagegen in Schutz, stecke sie doch noch mitten drin in einem Paradigmenwechsel, mitten in einer Lernkurve, was das nachhaltige Bauen angehe. So ging die Diskussion munter hin und her. Auf der einen Seite Mönninghoff, der Passivhäuser und einheitliche Regeln postulierte, auf der anderen Seite Hascher, Hegger, Cors und auch Dschahanschah, die sich mit festgelegten Standards nicht anfreunden konnten. Vor allem Cors und Hegger wiesen darauf hin, dass die Betrachtung des Einzelhauses kein ausreichender Ansatz sei, sondern vielmehr das Quartier Ausgangspunkt von Konzepten zur Nachhaltigkeit sein müsse – beispielsweise würde der Nachverdichtung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Djahanschah hielt am Ende fest, dass Nachhaltigkeit zu oft auf energetische Standards reduziert würde. Die Diskussion hatte da aber bereits deutlich gemacht, wie komplex das Thema ist.
Fotos: Kai-Uwe Knoth