16. Mai 2013 | Altes Rathaus Hannover | Muck Petzet
Das Spannendste ist, was man daraus macht“, sagt Muck Petzet, Architekt aus München und Kurator des deutschen Pavillons bei der Architektur-Biennale 2012 in Venedig. Petzet macht vor allem etwas aus dem Bestand. Bauherren, die Grundstücke mit Altbauten gekauft haben, fragt er: „Warum wollen Sie ein neues Haus, wenn Sie ein altes haben?“ Für Petzet ist alt nicht gleich schlecht, neu nicht gleich schön. Abriss und Neubau verschlingen Unmengen an Energie und Rohstoffen und zerstören gleichzeitig die in den alten Bauteilen gespeicherte „graue Energie“. Der beste Bau ist demnach der, der gar nicht entsteht. Statt Recyclingweltmeister sollten die Deutschen besser Vermeidungsweltmeister werden, schlägt Petzet vor. Sein Wertesystem hat er bereits in Venedig eindrucksvoll erklärt: Reduce, Reuse, Recycle. Auf die Architektur übertragen heißt das, ein Abbruch von Vorhandenem kommt eigentlich nicht infrage, umzubauen ist „vernünftig“. Petzet kritisiert in diesem Zusammenhang Nachhaltigkeitslabel wie das der DGNB. Graue Energie wird nämlich nicht in deren Berechnungen einbezogen und so werden oft Gebäude ausgezeichnet, die für den Abriss eines Altbaus verantwortlich sind. Eine dem Neubau vorgeschobene Tabula Rasa kann jedoch nicht nachhaltig sein. Petzet demonstriert gegen solches Vorgehen – durchaus ganz konkret und aktiv gemeinsam mit Studierenden und Plakaten vor einem Abrisskandidaten in München. Ein intaktes Verwaltungsgebäude soll dort niedergerissen werden, um anschließend ein ebensolches Verwaltungsgebäude neu zu errichten. Derlei Vorgehen gleiche einer „Brandrodung“, sagt Petzet.
Dass es anders geht, zeigt er anhand zahlreicher nationaler und internationaler Beispiele. Häuser, von denen manch einer meinte, nur ein Abbruch sei noch drin, wurden durch intelligente Lösungen umgebaut und gerettet. Petzet geht es dabei weniger um den Erhalt des Baudenkmals, als vielmehr um die ökologische Notwendigkeit dieses Tuns. Wer das Potenzial des Bestands erkenne, komme zudem zu spannenderen Lösungen.
Petzets Büro trug beispielsweise einen großen Plattenbau ab, ließ aber das unterste Geschoss stehen und kreierte damit ein Stadtteilzentrum mit ortstypischer Architektur. Dieser Bau ist ökologisch, weil er eben nicht neu ist, er ist akzeptiert, weil seine Architektursprache perfekt in den baulichen Kontext passt und er ist interessant, weil nur durch das Stehenlassen entstehen konnte, was ein Neubau völlig anders hervorgebracht hätte. Der Bestand habe, so schlecht er auch sein mag, eine Existenzberechtigung, sagt Petzet. Dieser Ansatz müsse sich in der Architektur durchsetzen. Das ständig visionäre Neue sei unzeitgemäß. Dabei geht es Petzet nicht um die Vermeidung von Architektur, es geht ihm um intelligente Lösungen. Eine Ideologie, für die er eindrucksvoll kämpft.
Die Architektur steht am Scheideweg. Wer entscheidet sich für Petzets Weg?
Fotos: Tom Figiel