22. November 2018 | Altes Rathaus, Hannover | Jürgen Engel
Katalysator der städtebaulichen Entwicklung
Groß sind die Projekte von Jürgen Engel und seinem Büro KSP in Asien und Afrika – sehr groß. Allein der Gebetssaal der neuen Moschee in Algier fasst 30.000 Menschen. Die Nationalbibliothek in Peking wird von 80.000 besucht. Täglich. Dimensionen, die in Europa oder Deutschland eher selten zu den Bauaufgaben von Architekten gehören. Engel ging bereits Anfang der 90er-Jahre nach China, um diesen Markt für sein Büro nutzbar zu machen, wie er bei „Architektur im Dialog“ im November in Hannover sagt. Mit einigem Erfolg, wie seine vielen Projekte beweisen. Selbst ein fast funktionsfreier Bau wie die Urban Helix in Changsha ist darunter, nur gebaut, um ringförmig von unten nach oben und zurück zu flanieren.
Unsinnige Orte zelebrieren“, nennt Engel das. Doch schafft gerade dieser scheinbar nutzlose Bau eine Aufwertung des städtischen Raums und bereichert das Leben der Chinesen, die kaum die Möglichkeit haben, einmal einen Park zur Erholung aufzusuchen. Also nehmen sie die Helix in Beschlag, verbringen auf den Rampen ihre Sonntage oder heiraten auf der Spitze der Spirale. Eine Form von Freiheit, womöglich von Demokratie in einem Land ohne Demokratie. Wurde den Machthabern da gar etwas untergejubelt? Oder überhöht diese Vermutung die Möglichkeiten von Architektur? Engel ist sich sicher, dass seine Bauten gesellschaftlich etwas bewegen. Seine Architekturen seien darüber hinaus Katalysatoren der städtebaulichen Entwicklung. Wobei die Chinesen, wie Engel einräumt, in Sachen Stadtplanung den Europäern mittlerweile eher voraus seien. Während in Europa geredet werde, werde in China gebaut – wenn auch oft nur für den Augenblick, sowie rein maschinell vorgefertigt, zulasten des traditionellen Handwerks. Dennoch, für Architekten die visionäre Projekte umsetzen möchten, nicht die schlechteste Adresse. Dabei kommt Engel den Chinesen wenig entgegen, baut rechtwinklig und monumental, nicht filigran oder gar pittoresk, was der einheimischen Kultur vielleicht näherstünde. So auch in Afrika: In die Moschee in Algier integriert er sogar eine Shopping-Mall und ein Kino. Religion als Ganztagesevent. Und zwischendurch kann man den Ausblick übers Mittelmeer vom 265 Meter hohen Minarett genießen. Gebaut haben die Moschee wiederum die Chinesen. Engel bedauert, dass nicht mehr Einheimische zum Zuge kamen, bemüht er sich doch auch darum, Einheimische vor Ort zu Fachkräften auszubilden. Ein Angebot zur Entwicklung, das die Länder jedoch oftmals ausschlügen.
Der Vorsitzende der Lavesstiftung, Wolfgang Schneider, verwies in seiner Rede noch auf die Gedenkstätte Bergen-Belsen, für die KSP vor zehn Jahren mit dem Niedersächsischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet wurde. Bewusst einfach, dem Zweck angemessen, den Ort respektierend. Ein Bau, auf den auch Engel noch immer stolz ist und den er zu den wichtigsten des Büros zählt. Dennoch: KSP ist, auch wenn weiterhin viele Projekte in Deutschland umgesetzt werden, der niedersächsischen Ebene längst entwachsen. Vielleicht sollte sich die hiesige Politik mal mit jemanden wie Engel zusammensetzen, um beispielswiese die erfolgreiche Integration ausländischer Fachkräfte von einem Architekten zu lernen, den Grenzen oder kleinmütige Gedankengänge nicht aufhalten. Der Perspektivwechsel zwischen Deutschland und dem Ausland sei extrem bereichernd, sagt Engel. „Alles, was fremd ist, nehmen wir mit nach Hause“. Er macht daraus einen Gewinn für seine sechs Büros, in denen 250 Menschen aus 40 Nationen ganz selbstverständlich zusammenarbeiten. Egal, ob Deutsch, Englisch oder Französisch geredet wird. Ein Problem? Engels Lösung für alles was er macht: Kommunikation.
Fotos: Kai-Uwe Knoth