9. Februar 2012 | Altes Rathaus Hannover | Johannes Kuehn
Johannes Kuehn aus Berlin zeigt nicht einfach seine Architektur, er leitet sie her. Le Corbusier ist der Name, der immer wieder während seines Vortrages bei „Architektur im Dialog“, der Reihe der Lavesstiftung, fällt. Aber auch Peter und Alison Smithson nennt er, die als Mitglieder des „Team Ten“ die Vertreter der klassischen Moderne kritisierten, allen voran eben jenen Le Corbusier. Die Smithsons waren auch in der „Independent Group“ aktiv, eine 1952 in London gegründete Künstlergruppe, unter anderem mit dem Maler Richard Hamilton. Hier wurde früh über die Einbeziehung der Trivialkultur wie der Werbung in die Kunst diskutiert, der Begriff Pop Art wurde erfunden. Kuehn, Jahrgang 1969, beschäftigte sich umfassend mit den Ideen und Strömungen dieser Zeit, vor allem mit der Form damaliger Ausstellungen oder abstrakten Stadtplanungen, die die Stadt selbst zur Ausstellung werden ließen. Aber auch Architekten wie Daniel Libeskind oder Peter Eisenman schaut Kuehn in seinem Studium in den 1990er-Jahren in Berlin und Portugal einiges ab, erkennt, dass das Ausstellen das Grundthema der Architektur ist, wie er selbst heute sagt.
Dann zeigt Kuehn seine Architektur, zeigt, was er von Architekten, Künstlern, Sammlern oder Kuratoren gelernt hat, zeigt, wie man mit verhältnismäßig einfachen Mitteln und schmalen Budgets aus einer Ausstellung von Exponaten die Ausstellung selbst zum Exponat macht.
Bekannt geworden ist das Büro Kuehn Malvezzi durch die Ausstellungsbauten für die Documenta 11 in Kassel, aber auch eine bauliche temporäre Intervention in Braunschweig, eine Markierung für ein Berliner Museum, ein Farbleitsystem für eine Mailänder Galerie zeigen, wie analytisch Kuehn und seine Partner die Projekte angehen und ihre Ideen entwickeln.
Der Raum sei das Wichtigste, sagt Kuehn, er müsse eins zu eins wahrnehmbar sein, ohne dass weitere Medien den Blick verstellten. Die Documenta-Halle kam mit dicken weißen Wänden aus, geerdet mit strengen Sitzbänken. Was nach simplen Einbauten aussah, war das Ergebnis eines strukturierten Entwurfsprozesses, der sich auf die Grundbedürfnisse der Besucher konzentrierte, zum einen die ausgestellte Kunst unbeeinflusst besichtigen und sich zum anderen orientieren und ausruhen zu können. Ausstellen, so Kuehn, habe ganz im Sinne Le Corbusiers viel mit Urbanismus zu tun. Ausstellung verstanden als ein Stück Stadt.
In diesen Kontext passt auch Kuehns Entwurf des Berliner Stadtschlosses, konzentriert aufs Wesentliche, sollte die Fassade als Rohbau, als Display belassen werden. Für diese kritische Form der Rekonstruktion gab es im damaligen Wettbewerb einen extra eingerichteten Sonderpreis der Jury.
Entscheidend ist für Kuehn eben immer die Interpretation der Aufgabe, das Spannungsverhältnis von Kontext und Display, der aktive Umgang mit den Zusammenhängen.
Die einfachen Lösungen, das sture Abarbeiten von vorgegebenen Raumfolgen, die Erfüllung von Erwartungen ist nicht sein Ding. Lieber verlegt er ein ganzes Museum wie in Frankfurt unter die Erde und lässt nur den Eingang aus dem Park wie eine Ausstellungsvitrine emporkriechen. Er hat Erfolg mit diesen Vorschlägen, der Entwurf für das Frankfurter Weltkulturenmuseum erneut ein Wettbewerbssieg – leider jedoch ohne Chance auf Realisierung, Frankfurt fehlt schlicht das Geld.
Kuehn gleichwohl braucht keine großen Ausstellungen um auszustellen, ihm reicht mitunter auch die Inszenierung eines einzigen Ausstellungskatalogs. So geschehen in der Berliner Aedes-Galerie auf einem runden Tisch in Form einer Rennbahn. Auf dieser scheint auch Kuehn unterwegs zu sein, von einem Erfolg zum nächsten jagend. Dabei bleibt er hoffentlich so sympathisch wie bei „Architektur im Dialog“ im Februar und seine Entwürfe so beeindruckend.
Fotos: Kai-Uwe Knoth