18. Juni 2015 | Altes Rathaus Hannover | Feridun Zaimoglu
Feridun Zaimoglu schaltet am 18. Juni in Hannover bei den rund 150 Zuhörern das Kino im Kopf an. Zehn eng beschriebene Seiten umfasst sein neuer Text „Umgebung“, den er mit prägnanter Stimme, Wasserglas und ausdruckstarker Gestik vorträgt. Dabei erzählt er – auch autobiografisch – von den Bewohnern einer Stadt, den „Eckenstehern“ und den „Morgensäufern“, aber auch von den „Bürgerhäusern mit Promenadenblick“. Zentral im Text die Sicht der Migranten – durchaus mit deutschem Pass. Was macht Stadt mit den Menschen? Diese Frage zieht sich durch die gute Stunde, die Zaimoglu liest.
Wolfgang Schneider, Vorsitzender der Lavesstiftung, verglich den Schriftsteller und den Architekten, beide begännen vor einem weißen Blatt, vor einer Tabula Rasa, fertigten Skizzen, setzten um, veränderten Vorstellungen und schafften begehbare Räume, egal, ob aus Stein oder Worten.
Zaimoglu gefällt der Vergleich zwischen den Berufsständen. Architektur, so das Fazit des anschließenden Gesprächs mit Michael Mönninger, kann Zaimoglu dennoch nur wenig abgewinnen. „Schutz“ solle ein Haus bieten, Architektur sei da bereits oft „zu viel“. Er fürchte sich vor der um sich greifenden „Einschüchterungsarchitektur“ und aus der Hamburger Hafencity wolle er am liebsten gleich wieder weg. Weg auch mit der elitären Sicht, dass gute Architektur die Menschen besser und das Leben schöner mache. Wichtig sei der Mensch, nicht die Räume und Wände, die ihn umgeben. Persönlich lehnt er folgerichtig eine „Komfortzone“ ab, braucht kein Hamburger Harvestehude, sondern das raue Klima der See, den Regen, den dunklen Himmel, ohne den, so Zaimoglu, er nicht schreiben könne. Seit Jahrzenten wohnt er in Kiel.
Mitte August erscheint sein neuer Roman „Siebentürmeviertel“ bei Kiepenheuer & Witsch. Es geht um eine Familiengeschichte, aber auch um Istanbul. Dem Thema Stadt bleibt Zaimoglu also treu. Istanbul ist gleichzeitig Schauplatz einer neuen, von Zaimoglu betreuten Doku-Reihe fürs ZDF. Mit Architektur, so hat er bereits angekündigt, beschäftige er sich dort aber wieder nicht, sondern, klar, mit den Menschen.